Komplexe
Schönheit Postevolutionäre Schönheit
ist für Gegenwartsmenschen nicht intuitiv erfahrbar.
Allein streng rationale Intelligenz ist gegenwärtig
in der Lage, komplexe ästhetische Strukturen
zu begreifen. Die Produktion postevolutionärer
Gestalt stößt folglich auf Probleme, die
nur mit wissenschaftlichen Verfahren erschließbar
sind. Allein auf diesem Weg lassen sich intuitive
und primitive Komponenten der Gestaltung und Rezeption
biologischer Formen überwinden. Postevolutionäre
Ästhetik auf gentechnologischer Grundlage öffnet
nun das Tor für den wesenhaften Fortschritt der
Spezies, den ihr das System der Evolution verwehrt.
Die Entwicklung der Seinsform und des Seinsempfindens
werden vom primitiven Zufall befreit und von biogenart
in eine rationale Zukunft komplexer Schönheit
geführt. (top) Empfindungsstagnation Die Ursache für
die intellektuell-emotionale Stagnation der Spezies
ist das Dilemma der Evolution. Fehlt der äußere
Anpassungsdruck, verbleibt alle Entwicklung. Fähigkeiten,
seien sie noch so innovativ und avanciert, fallen
aus der Entwicklung heraus, wenn sie nicht direkt
vorteilhaft im Kampf um Nahrung oder Fortpflanzung
sind. Deshalb steht das ästhetische Urteilsvermögen
noch weitgehend Instinkt gesteuert auf vorkulturellem
Niveau. Die Empfindung von Schönheit leitet sich
bisher im Wesentlichen aus der affektiven Wahrnehmung
von gattungsspezifischen und vermehrungsrelevanten
visuellen Fakten ab. Selbst die wenigen Ansätze
der Bildenden Kunst und Musik, die diese Schemata
im letzten Jahrhundert graduell negierten (DADA, Surrealismus,
art brut, Atonalität etc.), haben zwar zur Reflexion,
aber in der Konsequenz nicht zu einer realen Veränderung
des Schönheitsempfindens beigetragen.
(top)
Intellekt
und Komplexitätsreduktion Die
dominanten Linien der Ästhetiktheorie und -praxis
kreisen bis heute um eine triebdominierte genuin evolutions-
determinierte Ästhetikvorstellung. Gestaltung
ist weitgehend naturreproduktiv und erzeugt bestenfalls
simplifizierte und reduzierte humanumorphe Formverwandtschaften.
Ursache ist eine spezifische humane Wahrnehmungsblockade.
Ein wesentliches Merkmal des natürlichen Menschen
ist, dass er mental nur sehr eingeschränkt in
der Lage ist, komplexe dynamische Systeme geistig
aufzunehmen und bewusst zu erfassen. Daraus leitet
sich phylogenetisch das intellektuelle Bestreben nach
einfacher funktionaler Ordnung und nach Modellbildungen
ab. Ästhetiktheoretisch gipfelt das in der klassischen
Reduktion der Schönheit auf einfachste geometrische
Grundkörper und Harmonien. Diese ästhetische
Simplifizierung lässt sich überschauen und
beherrschen, ist bequem und angenehm für ein
auf Ruhe und Statik bedachtes Bewusstsein. Die reale
komplexe Ästhetik der Welt entspricht dem selbstverständlich
nicht. Sie wird einfach ausgeblendet.
(top)
Schönheit
und Überlebenspotenz Das dominant prägende
Moment menschlichen Empfindens und Reflektierens von
Schönheit war und ist die Wahrnehmung von Überlebenspotenz
anhand der äußeren Erscheinung von Artgenossen.Von der eigenen Seinsform
abgeleitete biologisch optimierte Merkmale wie angenäherte
Symmetrie, funktionale Formzusammenhänge etc.
werden als attraktiv für die Fortpflanzung wahrgenommen.
Dieser Kanon wird instinktiv auf formal verwandte
Wesen und Dinge übertragen und prägt so
das immer noch aktuelle Schönheitsempfinden.Dass diese primitivsten
ästhetischen Urteile vollkommen irrational sind,
zeigen aus der Hordenmentalität verbliebene,
rassistisch motivierte negative ästhetische Werturteile
selbst gegenüber Artgenossen. Typisch für
die gesamte Spezies sind negative Bewertungen von
Lebewesen, die, nur weil sie dem eigenen gattungszentrierten
Schema nicht entsprechen, als eklig und hässlich
eingestuft werden. Eine spontane evolutionäre
Änderung dieses affektiven gendeterminierten
Verhaltens ist nicht zu erwarten. (top) Attraktorästhetik
und Nahrung Die einengende Existenzorientierung
menschlicher Wahrnehmung lässt sich auch aus
ästhetischen Kriterien für Genießbarkeit
von vorindustrieller Nahrung ableiten. Wesen, deren
Fortpflanzung auf Samendistribution durch Zwischenwirte
basiert, haben in der Regel markante Attraktoren,
z.B. auffällige, reine Farbgebung. Diese auf
synergetischem Nutzen beruhende, pragmatische Ästhetik
bewirkte phylogenetisch eine weiter Begrenzung des
ästhetischen Urteilsvermögens auf einfache,
kontrastreich abgegrenzte Erscheinungen. Komplexere
Formen der Nahrungsbeschaffung wie die Jagd oder der
Landbau erbrachten zwar höher entwickelte Zivilisationsformen.
Der intellektuellen Einsicht in den vitalen Nutzen
effektiverer Ernährung folgte aber keine analoge
Entwicklung einer dem entsprechenden ästhetischen
Bewertung. Die anhaltende intellektuelle Blockade
entsteht durch divergierende Instinktleistungen. Auf
der einen Seite steht die Angst und der Ekel vor dem
Anblick toter Körper, auf der anderen Seite der
pragmatisch erfahrbare Überlebensvorteil durch
höherwertige Nahrung. Der Widerspruch wurde kulturell
sublimiert und in der Neuzeit ästhetisch-industriell
endgültig dadurch gelöst, dass jegliche
Nahrung so weiterverarbeitet wurde, dass nichts mehr
an ihren natürlichen Ursprung erinnert. Die immanenten
ästhetischen Expansionsmöglichkeiten wurden
auch hierbei nicht ausgenutzt. (top)